Der Band versammelt zentrale theoretische und methodische Zugänge der feministischen Geschichtswissenschaft und prüft diese kritisch auf deren Anwendbarkeit.
Die Kategorie Gender/Geschlecht ist in der Forschung trotz ihrer zentralen Bedeutung für die Konstitution von Gesellschaften, die Strukturierung von Institutionen oder für Beziehungen und Alltagserfahrungen oft übergangen worden. Um dieser Vernachlässigung entgegenzuwirken, arbeitet die feministische Forschung seit bereits vier Jahrzehnten daran, wissenschaftlich bereits Erschlossenes zu re-analysieren und von der Wissenschaft übergangene Frauen sichtbar zu machen.
Auch der vorliegende Sammelband folgt der Tradition der feministischen Geschichtswissenschaft und versammelt in diesem Zusammenhang zentrale theoretische und methodische Zugänge, die anhand von Fallbeispielen aus aktuellen Dissertationsprojekten kritisch auf ihre Anwendbarkeit überprüft werden.
Der interdisziplinär ausgerichtete und international verortete Sammelband beinhaltet Arbeiten zu diskursanalytischen Verfahren, Debatten zu Männlichkeit/en, intersektionale Analysen genauso wie die kritische Erforschung von Selbstzeugnissen und Theorien des entangledments oder citizenship. Dabei reichen die Studien zeitlich von der Antike bis in die Gegenwart, geographisch von der Türkei bis nach Großbritannien und ermöglichen damit einen umfassenden und gleichzeitig kritischen Blick auf das Thema.
Inhalt:
Alexia Bumbaris, Veronika Helfert, Jessica Richter, Brigitte Semanek und Karolina Sigmund: Bestandsaufnahmen und Herausforderungen. Zum Weiterdenken der Frauen- und Geschlechtergeschichte
Irene Somà: Gender Studies und Geschichtswissenschaften in den Untersuchungen zu Frauen in der klassischen Antike: der Beitrag der Epigraphik
Meritxell Simon-Martin: Barbara Bodichon’s Epistolary Bildung: Education, Feminism and Agency in Letters
Tim Rütten: Wahnsinn aus Heimweh im langen 19. Jahrhundert. Dienstmägde zwischen Normalisierung, Disziplinierung und Delinquenz
Maria Derenda: Leben schreiben – Beruf schreiben. Historische Selbstzeugnisforschung als Zugang zur Berufsgeschichte von bildenden Künstlerinnen um 1900 am Beispiel von Elena Luksch-Makowskaja
Heike Mauer: Intersektionalität operationalisieren! Theoretische und methodische Überlegungen für die Analyse des Prostitutionsdiskurses in Luxemburg um 1900
Karolina Sigmund: „Ein abnorm veranlagtes Individuum“ – Zur Konstruktion von „Männlichkeiten“ in militärpsychiatrischen Gutachten um 1900
Michaela Maria Hintermayr: „… während die Männer an den härteren Kampf um’s Leben schon gewohnt sind.“ Der pathologisch-gerichtsmedizinische Aspekt des geschlechtsspezifischen Suiziddiskurses im frühen 20. Jahrhundert in Österreich
Elife Biçer-Deveci u. Edith Siegenthaler: Entangled history als Perspektive auf Frauenbewegungen
Selin Çağatay: From ‘daughters of the republic’ to contentious citizens: Kemalist women’s activism in historical perspective