Seit der Zeit Andreas Hofers prägt eine starke Verteidigungshaltung die Tiroler und Südtiroler Leitkultur, immer wieder reaktiviert in politischen Konflikten bis hin zu den Südtirol-Anschlägen von 1961 und jüngeren patriotischen Mobilmachungen.
Mit einer vielschichtigen Untersuchung der Tiroler Verteidigungskultur wagt Hans Karl Peterlini einen neuen, ungewohnten Blick auf den Andreas-Hofer-Mythos und seine Spätfolgen bis in die Tiroler und Südtiroler Gegenwart. Er ergründet tiefere psychische Motive hinter dem politischen Agieren – Knechtschaftserfahrungen und Magd-Dasein über Generationen hinweg, individualpsychologische und kollektive Kränkungen, existenzielle Ängste und Wünsche, angegriffene Männlichkeit und verleugnete Weiblichkeit, italienischer Eroberermythos und Tiroler Kulturkampftradition. Ohne den Akteuren zu nahe zu treten, legt er unter dem untersuchten historischen Material psychische Antriebe frei, analysiert die politischen Führer und Verführer, Feinde und Feindbilder in der Tiroler und Südtiroler Geschichte.
Der Autor
Hans Karl Peterlini, Autor zahlreicher Bücher und Essays zur Südtiroler/Tiroler Zeitgeschichte und Gegenwart, psychoanalytischer Erziehungswissenschaftler, Kommunikationsberater und Coach.
Inhaltsverzeichnis
I. Annäherungen
Revision des Vertrauten
Die psychoanalytische „Brille“
Vom Eigenen ausgehen
Zwei Vater-Träume
II. Theoretische Begründung
Pendeln zwischen Ich und Wir
Homo clausus versus Intersubjektivität
Der soziale Charakter
Kollektives und kulturelles Gedächtnis
Anthropologische Annahmen
Ethnopsychoanalytischer Ansatz
Narzissmus-Theorie
III. Psychohistorische Untersuchung
„Latenzzeit“ einer Großgruppe
Südtirol in der ersten Nachkriegszeit
Von der Regression zur Aktion
Wie politische Gewalt entsteht
Das durchbohrte Herz
Mythen in der politischen Geschichte Tirols
Die Flucht der Vater
Kehrseite eines Mythos
Vater und Vaterland
Verschiebung von Aggression auf kollektive Feindbilder
Das Generationen-Erbe
Die Weitergabe von Schuld und Trauma
Wiederkehr des Verdrängten
Wiederholungszwange und Schuldabwehr in den Attentäterbiographien
Sieg und Niederlage
Die historische Erfahrung von Aufstand und Vernichtung
Vom Sohn zum Knecht
Ödipus auf Tirols Höfen
Die verletzte Männlichkeit
Kastration als Angst- und Rachemotiv im Kampf zwischen Minderheit und Staat
Im Schoß der Heimat
Ausgeschlossene und idealisierte Weiblichkeit
Die Frau im Mann
Triebunterdrückung und Männlichkeitssymbolik
Verstoßung aus dem Paradies
Die Geburt als „Mutter aller Traumata“?
IV. Forschungsversuche
Flaschenpost aus dem Unbewussten
Deutung von Bekennerschreiben: Theoretischer Vorspann
Die tiefenhermeneutische Textuntersuchung
Das mikroskopische Interview
Die Fantasieanalyse
Textanalysen
Textbeispiel 1: Von Fremdherrschaft und Sklaven
Textbeispiel 2: Von wehenden Fahnen
Textbeispiel 3: Von primitivsten Forderungen
Textbeispiel 4: Von Blut an den Händen
Textbeispiel 5: Von Freiheit und Knechtschaft
Im Bauch der Wölfin
Deutung politischer Karikaturen zum Südtirol-Konflikt
Karikatur 1: Der Tiroler im Bauch der römischen Wölfin
Karikatur 2: Die verschlingenden Nationen
Karikatur 3: Des Tirolers Rache
Karikatur 4: Saugende Wölfin
Karikatur 5: Mann am Boden
Matrix eines Mythos
Deutungen zu Andreas Hofer und den Freiheitskämpfen 1809
Hofer-Mythos in Bildern
Karikatur 6: Der ferne Großvater
Karikatur 7: Die Auferstehung
Karikatur 8: Ander in Windeln
Karikatur 9: Der befreite Held
Geburt eines Erlösers
Lebensbilder des Verlustes
Analyse eines Briefes Hofers
Der Tod gebiert den Helden
V. Schlussfolgerungen
Jenseits von Ödipus
Gekrankte Gruppe und narzisstische Führer
Von Magnagos Triebverzicht zu Durnwalders Libido?
Zeit zum Trauern
Unterlassungen, Ruckfalle und Chancen für eine kollektive Traumabewältigung
Bildnachweis
Quellennachweis