Hans Augustin, geb. 1949, lebt in Thaur in Tirol. „Weggelebte Zeit“ enthält eine Auswahl von Gedichten aus den letzten Jahren. Es sind Sprach-Bilder, die vom Leser Abenteuerfähigkeit und Reisefreudigkeit in die Land- und Meerschaften der Augustin’schen Sprachpräzision und -intensität verlangen. Das Material dazu findet Hans Augustin auf der Straße, in Zeitungsberichten und Reiseeindrücken – und verdichtet es zu Poesie.
Leseprobe:
WEGGELEBTE ZEIT / aus Etui / Sektglas und / Schuhkarton // mit Strohhalm / oder Löffel / manchmal mit der Zeigefingerspitze / aufgetunkt // weggelebte Zeit / im Kirschbaum / vollmundig / mit gebrochenem / Sonntagsherzen // von Terminen getrieben / aus Zugabteilen Flugzeugen / Fahrradsättel / Schiffskabinen // hingesetzt und / angelandet / mit zerzausten Flügeln / Wimpern und Lippen // weggelebte Zeit / aus offenen Adern / zum Strauß gebunden // aus einem späten Feuer / das den Rest noch wärmt
MANCHMAL NEHME ICH / in der Zeit eine zinsenfreie / Wort- oder Ideenanleihe / und dann fühlt sich mein Kopf an / wie ein Bottich mit / Wörtern und Bedeutungen / die alle gleichzeitig / durch den Spund nach draußen / wollen aber das geht nicht / und in diesem Zufall / welches Wort mit welcher Bedeutung / im Ausfluß zusammenrinnt / entsteht dann so etwas / wie ein Text / und den nennt dann / jemand Literatur