Die historische Homosexualitätenforschung hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten stark gewandelt. So gewannen nicht nur die Themen sowie die theoretischen und methodischen Perspektivierungen an Komplexität, auch der gesellschaftliche Kontext, in dem diese Forschung betrieben wurde und wird, hat sich verändert: Enthielten vor 20 Jahren manche europäische Strafrechtskodifikationen noch diskriminierende Regelungen, sind gleichgeschlechtliche Paare heute in einzelnen Ländern sogar im Eherecht gleichgestellt.
Vor dem Hintergrund sich zunehmend diversifizierender Sexualitätskonzepte und gesellschaftlicher Transformationsprozesse geben die Beiträge des vorliegenden Bandes vielfältige Antworten auf die Frage, ob es sich bei Homosexualität noch um „eine nützliche Kategorie der historischen Analyse“ handelt. In der Beschäftigung mit heteronormativen Strukturen, der Verhandlung von Identitäten und den Handlungsräumen historischer Akteur*innen zeigen sie eindrücklich die Breite theoretisch komplexer wie empirisch fundierter Forschung in diesem Feld und fragen nicht zuletzt nach den Implikationen solcher Analysen für die Geschichtswissenschaft insgesamt.
Inhalt
editorial
homosexualitäten revisited
Rüdiger Lautmann
Homosexualität und Homophobie – ein Trajekt der westlichen Spätmoderne
Manuela Bauer/Andreas Brunner/Hannes Sulzenbacher/Christopher Treiblmayr
„Warme“ vor Gericht. Zu Selbst- und Fremdbildern homosexueller Männer in der Zeit des Nationalsozialismus in Österreich
Maria Bühner
Die Kontinuität des Schweigens. Das Gedenken der Ost-Berliner Gruppe Lesben in der Kirche in Ravensbrück
Masha Neufeld/Katharina Wiedlack
Wir sind Conchita, nicht Russland, oder: Homonationalismus auf gut Österreichisch