Ländliche Räume gelten oft ausschließlich als Auswanderungsregionen, von denen aus Teile der ansässigen Bevölkerung auf direktem Weg in die städtischen Zentren wandern. Die historische Migrationsforschung hat gezeigt, dass solche vereinfachten Bilder kaum der komplexen Realität entsprechen. Neben der Wanderung vom Land in die Stadt gab es auch den umgekehrten Weg von der Stadt aufs Land sowie dauerhafte oder befristete Migration von einer ländlichen Region in eine andere. Die Motive der migrierenden Menschen waren vielfältig, von der Vermeidung von Nachteilen vor Ort bis hin zur Wahrnehmung von Chancen andernorts. Der Band versammelt Beiträge aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen zu Aspekten ländlicher Mobilität und Migration: Displaced Persons nach dem Zweiten Weltkrieg, österreichische Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter im Ausland, nach Österreich angeworbene Arbeitskräfte aus Jugoslawien und der Türkei, Wohnsitzverlegungen im Zuge von Existenz- und Familiengründung, die oft weiträumige Mobilität von EU-Bürgerinnen und -bürgern innerhalb der Schengen-Grenzen, die Wohnmigration im Umfeld urbaner Zentren. Die Beiträge machen einmal mehr deutlich, dass Migration kein ungewöhnliches, daher zu behebendes Gegenwartsproblem, sondern ein normales, historisch in verschiedenen Ausprägungen fassbares Phänomen darstellt.
INHALT
EINLEITUNG
Rita Garstenauer/Anne Unterwurzacher
Einleitung: Aufbrechen, Arbeiten, Ankommen. Mobilität und Migration im ländlichen Raum seit 1945
AUFSÄTZE
Angelika Laumer
„Er hat alles gekonnt, wenn’s sein hat mussen, er war ein fleißiger Mann.“ Wie Kinder von ZwangsarbeiterInnen im ländlichen Bayern NS-Zwangsarbeit und deren Konsequenzen erinnern
Uta Bretschneider
Zwangsmigration und Neubeheimatung. „Umsiedler“ als „Neubauern“ in der SBZ/DDR
Ute Sonnleitner/Anita Ziegerhofer/Karin M. Schmidlechner
Aufbruch als Chance. Steirische Arbeitsmigrationen in die Schweiz 1945-1955
Nina Kulovics
„Hast das erfahren halt, dass die dort wen aufnehmen und dass du dir ein Geld verdienen kannst, weil wir selber nichts gehabt haben.“ Die südburgenländische Arbeitsmigration in die Schweiz von 1950 bis 1970 in lebensgeschichtlichen Interviews
Gerhard Hetfleisch
Geschichte der Arbeitsmigration Tirols 1945-2013
Verena Sauermann/Veronika Settele
Migration sichtbar und erzählbar machen. Zeithistorische Migrationsforschung in einer Tiroler Kleinstadt
Vladimir Ivanović
Der Traum von der Melange. Ein Beitrag zur Geschichte der Rückkehr der jugoslawischen ArbeitsmigrantInnen
Ingrid Machold/Thomas Dax
Schlüsselfaktor Zuwanderung. Migration in ländlichen Regionen Österreichs
Gudrun Kirchhoff/Claudia Bolte
Migration und Integration im ländlichen Raum. Besonderheiten und zukünftige Herausforderungen
Isabella Skrivanek/Lydia Rössl/Anna Faustmann
Die Erwerbsintegration von MigrantInnen in der ländlichen Steiermark im Kontext der Zuwanderungsgeschichte
Elisabeth Boesen/Gregor Schnuer/Christian Wille
Urbanität im ländlichen Raum. Wohnmigration in der deutsch-luxemburgischen Grenzregion
FORUM
Clemens Zimmermann
Regionen, Netzwerke, Sinngebungen. Der Beitrag des Jahrbuchs für Geschichte des ländlichen Raumes zur ’neuen‘ Agrargeschichte
Ulrich Schwarz
Ländliche Geschichte neu schreiben. Bericht über den internationalen Workshop anlässlich des zehnjährigen Erscheinens des Jahrbuchs für Geschichte des ländlichen Raumes (Wien, 13.11.2014)