Landschaftswahrnehmung war als Forschungsthema bisher weitgehend einer Ästhetik des Blicks verpflichtet, wie etwa in der Malerei und Architektur, aber auch in der Tourismusforschung. Die Perspektive war dabei zumeist die von Außenstehenden – von Tourismusfachleuten, städtischen Gelehrten oder akademischen Landschaftsgestalterinnen und -gestaltern. Dieser Band verlagert den Beobachtungsstandpunkt in die Mitte der Landschaft. Die Beiträge thematisieren zum einen die alltägliche Wahrnehmung durch deren Bewohnerinnen und Bewohner anhand von autobiografischen Texten und Interviews, aber auch die Wahrnehmung einer vertrauten Landschaft unter außergewöhnlichen Umständen wie im Fall von Hochwasser. Zum anderen wird die Perspektive von Reisenden untersucht, die nicht nur über die bereisten Landschaften berichten, sondern in ihren Reiseberichten, Tagebüchern und Fotografien auch sich selbst in diesen Landschaften verorten und inszenieren. Die traditionelle Vorrangstellung des Sehsinnes in der Landschaftswahrnehmung steht damit zur Diskussion, denn eine Landschaft, die bereist, bewohnt, bearbeitet oder auch fotografiert wird, verfügt über ein wegsames oder unwegsames Relief, eine als angenehm oder unangenehm empfundene Witterung, bestimmte Klangkulissen sowie emotionale Aufladungen unterschiedlichster Art. Daher erfordert die Auseinandersetzung mit Landschaftswahrnehmung in Selbstzeugnissen einen erweiterten Landschaftsbegriff, wie er im aktuellen Wissenschaftsdiskurs zunehmend an Bedeutung gewinnt.