Barbara Aufschnaiter, Dunja Brötz

Russische Moderne Interkulturell

von der Blauen Blume zum Schwarzen Quadrat

Die Forschung zur Ästhetischen Moderne als Makroepoche – mit Beginn in der Frühromantik um 1800 (mit Friedrich Schlegel und Novalis), Durchbruch zur Moderne um 1860 (mit Baudelaire und Flaubert) und Umbruch zur Historischen Avantgarde um 1910 (mit Kandinskij) – ist allgemein an der westlichen Moderne ausgerichtet. Die Russische Moderne wird, obwohl sie in der Ästhetischen Moderne Europas eine herausragende Stellung einnimmt, in der Forschung immer noch zu sehr als russische Sonderentwicklung betrachtet.
Um die Russische Moderne in den Forschungsdiskurs einzugliedern, ist sie nach dem Ende ideologischer Denkzwänge als Makroepoche neu zu bewerten. Ihre Basis im Wertesystem und in den künstlerischen Innovationen der Romantik, ihre philosophische Grundlegung in der Westler-Slavophilen-Debatte und im russischen Roman müssen erkannt und die ideologisch sanktionierte Fixierung auf die Literatur und Kunst des sog. Realismus überwunden werden. Die Russische Moderne in ihrer synchronischen Fülle von Inhalten und Kunstverfahren muss als kontrastreiche, aber in sich zusammengehörende Epoche neu verstanden und perspektiviert werden: als „composante contrastée“, die das kosmopolitische Fin de siècle (mit Symbolismus und Neorealismus) sowie die Historische Avantgarde der Zwanziger Jahre umfasst. Das reiche Anregungspotential der ästhetischen Moderne Russlands für das kulturelle Gedächtnis Europas soll im komparatistischen Maßstab hinterfragt werden. Mit diesem Sammelband, der in seiner thematischen Konzeption an das von Prof. Maria Deppermann geleitete Innsbrucker Forschungsprojekt „Experiment der Freiheit. Russische Moderne im europäischen Vergleich“ anknüpft, sollen Denkanstöße zu einer Neubewertung der Russischen Moderne im gesamteuropäischen Kontext gegeben und ein neuer, interkultureller Blick auf die Wechselbeziehungen zwischen Russland und Westeuropa geworfen werden.

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