Das vorliegende Heft beschäftigt sich mit der quasi immerwährenden Diskussion von KuratorInnen, KustodInnen, AusstellungsgestalterInnen, VermittlerInnen und nicht zuletzt einer medialen Öffentlichkeit über Formen der Präsentation von musealen Objekten und führt sie aus vier Blickwinkeln betrachtet weiter.
Roger Fayet hinterfragt in seinem Beitrag Das Vokabular der Dinge in durchaus selbstkritischer Sicht die Rolle des/r Kurators/in. Ausgehend von der Prämisse, dass das Phänomen Ausstellung heute gemeinhin als ein Medium gilt, in dem ein/e AbsenderIn (der/die KuratorIn) an eine/n EmpfängerIn (den/die BesucherIn) bestimmte Botschaften übermittelt, stellt sich zwangsläufig die Frage, wie denn diese Übermittlung möglich ist, wenn die Information primär durch nicht-sprachliche Einheiten – die »Originalobjekte« – übertragen werden soll. Eine zentrale Rolle spielt, so Fayet, die Auswahl der Objekte und ihre Anordnung im Raum. Dieses Verfahren beruht unmittelbar auf dem Wesen des Museums als eines ausgedehnten Ortes, den die BesucherInnen durchschreiten, um Dingen einen Sinn abzugewinnen. Die aus der Objektanordnung hervorgehenden Botschaften werden in ihrer Deutlichkeit verstärkt durch sekundäre Museumsdinge wie Modelle oder Rekonstruktionen sowie durch sprachliche »Wegleitungen«. Bei allem vom/von der KuratorIn betriebenen Kommunikationsaufwand bleibt das Medium Ausstellung aber vergleichsweise offen: Die Rezeption einer Ausstellungssituation ist durch einen hohen Grad an Selbständigkeit und Selektion geprägt. Entsprechend groß, so die abschließende These von Roger Fayet, ist die Differenz zwischen dem, was der/die AusstellerIn mitteilen möchte, und dem, was von den BesuchernInnen verstanden wird.
Christine Braunersreuther diskutiert in Fremd im Museum die »Formen der Präsentationen von Migrationsgeschichte und deren Folgen«. Migration, so zitiert Braunersreuther nach diversen Lexika-Einträgen, bezeichnet qua wörtlicher Definition nichts anderes als einen Prozess des Wanderns. Für die Menschen, die den Akt der Migration bestreiten oder hinter sich haben, ist es jedoch vor allen Dingen ein emotionaler Prozess. Jean Baudrillard hat die Schwierigkeit, Erfahrungen wie diese zu dokumentieren, mit den Worten beschrieben: »Das Wissen über ein Ereignis ist nur die reduzierte Form eines Ereignisses«. Seine Feststellung kommt für Migrations-Ausstellungen doppelt zum Tragen: Zum einen durch die starke individuelle Prägung von Migrationsgeschichte(n), die sich nur bedingt in einer linearen Migrationsgeschichte darstellen lassen. Zum anderen durch den geringen Dingbezug des Migrationsprozesses, der ihn im musealen Kontext, der in der Regel Objekte voraussetzt, nur schwer präsentierbar macht. Wie also könnte ein Migrationsmuseum aussehen, das sich zum Ziel setzt, Migration in ihrer Geschichte und ihrer aktuellen Realität zu präsentieren? In bisherigen Ausstellungen mit diesem Themenschwerpunkt Migration wurde – bewusst oder unbewusst – häufig auf Klischees und Stereotypen zurückgegriffen, insbesondere was das Fremd-Sein und die Beschreibung des Fremden betrifft.
Bettina Habsburg-Lothringen thematisiert in ihrem Beitrag Was dem »bain des Risen« folgte. Ausstellungswirklichkeiten als Weltbilder das historische und gegenwärtige Verhältnis von Museum/Ausstellung und Wirklichkeit: die Vorstellung einer mikroskopischen Versicherung des Makrokosmos in den frühen Kunst- und Wunderkammern, die neuzeitliche Idee einer überblickbaren Wirklichkeit in der etikettenbestückten Übersichtlichkeit weiträumiger Museumssäle, das heutige Verständnis von Museen als Orten der Wirklichkeitskonstruktion und Ausstellungen als flexiblen Möglichkeitsräumen. Besonders interessiert die Tendenz, die wirklichkeitsgenerierende Macht der Institution Museen, das Museum als Spiegel von Repräsentation wissenschaftsgeschichtlicher Entwicklungen sowie gedachter Weltordnungen und Denksystemen, in Ausstellungen zum Thema zu erheben.
Berit Schweskas Beitrag Museale Wirklichkeitskonstruktion durch Stimmungsräume widmet sich den historistischen Stimmungsräumen des Märkischen Museums Berlin. Nach einem historischen Einstieg (Berlin zur Jahrhundertwende) in Bezug zu Ausschreibung, Planung und Bau des Neubaus des Berliner Stadtmuseums, des Märkischen Museums, durch den Stadtbaurat Ludwig Hoffmann, thematisiert Schweska die Gesamtkonzeption als sogenanntes Stimmungsmuseum in engem Zusammenklang von Architektur und Sammlung sowie dessen Innenarchitektur und »Erfahrungsstruktur«. Darauf aufbauend stellt sie abschließend ihre eigenen künstlerischen Standpunkte zur Diskussion und vergleicht von ihr in künstlerischen Arbeiten gestaltete Stimmungsräume mit dem Konzept des Märkischen Museums.
Christine Braunersreuther (Graz)
Karl Stocker (Graz)
Roger Fayet
Das Vokabular der Dinge
Christine Braunersreuther
Fremd im Museum. Formen der Präsentationen von Migrations-
geschichte und deren Folgen
Bettina Habsburg-Lothringen
Was dem »bain des Risen« folgte. Ausstellungswirklichkeiten als Weltbilder
Christian Fleck
Thematisierung der Wissenschaftsemigration
Heidrun Zettelbauer
Das Begehren nach musealer Repräsentation. Geschlecht und Identität in musealen Inszenierungen zum ›Gedankenjahr‹ 2005
Ruth Ammann
Zeiten des Umbruchs. Die ersten Schweizerischen Geschichtstage in Bern, 15. bis 17. März 2007