Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 12. Jg., Heft 3, 2001

Architekturen

Architektur als gebaute Welt steht im Spannungsfeld zwischen der Abstraktion der Formen und ihrer Funktion als symbolischer Bedeutungsträger. Die in Stein, Glas und Stahl gestaltete Umgebung erscheint immer wieder beliebig, referenzlos, durchsichtig, holographisch. »Menschen werden von der architektonischen Form nicht wahrgenommen« lautet daher eine wiederholt formulierte Kritik, die auf den Umstand verweist, dass der Umgebungsraum nicht wie ein »objektiv« präexistenter Rahmen fungieren kann. Der Raum ist kein Gegenstand, er ist eine soziale Form (Henri Lefebvre), er wird strukturiert und strukturiert selbst. Architektur ist die gebaute Manifestation der sozialen, kulturellen und politischen Strukturen. Die Widersprüche, die Charles Jencks zwischen spätmoderner und neuer moderner Architektur im Gegensatz zur postmodernen konstatiert, beziehen sich vermutlich eher auf den Konflikt zwischen gebauter Form und gesellschaftlichem Raum, als auf die Schwierigkeit, gegenwärtige Strömungen der Architektur zu klassifizieren. Der Vorschlag von Rem Koolhaas, eine generic city zu entwerfen, in der die Gebäude aus einheitlichen Grundgerüsten bestehen, die sich lediglich durch ihre Fassadenkleider unterscheiden, oder der Gedanke von Jacques Herzog und Pierre de Meuron, dass einige wenige Architekten Modelle entwerfen, die von den übrigen Architekten einfach mittels Computertechnologie angewendet werden sollen, deuten auf ein Verschwinden des architektonischen Raumes hin und verweisen auf eine Globalisierung des Gebauten. Zudem hat die moderne Stadtplanung mit ihrer funktionalen Zonierung des städtischen Raumes Orte für Menschen strategisch vernachlässigt und somit zur Krise der (post-)modernen Stadt beigetragen.

Einigen dieser Themenbereiche widmet sich das vorliegende Heft »Architekturen«. Michael Zinganel beschreibt in seinem Beitrag die Wechselwirkungen zwischen Architektur, Stadt und Verbrechen und arbeitet dabei insbesonders – anknüpfend an Michel Foucault – die produktiven Seiten des realen und imaginierten Verbrechens für die Entwicklung von Gebäudetechnik, Architektur und Stadtplanung heraus. Kari Jormakka diskutiert das komplexe Thema Repräsentation von Bewegung in Skulptur und Architektur und verdeutlicht dabei das in .der westlichen Kultur immer wiederkehrende Begehren nach Schaffung von living statues. Detlev Ipsen stellt mögliche Lesarten des Raumes in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Der Raum wird als veränderbares Zeichen- und Symbolsystem verstanden, in dem modische und essentielle Wirkkräfte als Spannungsfelder zwischen Funktion und Bedeutung hervorgehoben werden. Manfred Omahna widmet sich der Entwicklung des Einfamilienhauses der US-amerikanischen suburbs im Kontext eines new urbanism. Als idealisiertes Abbild der von Hollywood konstruierten und immer wieder fortgeschriebenen Bilderwelten scheinen sich diese communities ohne Beachtung lokaler historischer und kultureller Eigenheiten als eine Art instant city beliebig in die Peripherien westlicher Städte einzufügen.

Zwei Beiträge zur aktuellen Museumsentwicklung eröffnen das Forum. Während Helmut Lackner in seinem Beitrag auf die in der OZG (11.Jg. 2000, 2) publizierte Rezension von Siegfried Mattl über das neu eröffnete Technische Museum Wien antwortet, versucht Bettina Drescher in ihrer Analyse der Architektur des Jüdischen Museums Berlin den in den 1980er Jahren stecken gebliebenen Museumsdiskurs zu beleben. Den Band beschließen Brigitte Franzen mit ihrem »Plädoyer für das Unbaubare« sowie Roman Horak und Siegfried Mattl mit »Raumlektüren«, einem Überblick über die aktuelle Literatur zur laufenden Architekturdiskussion.

Manfred Omahna, Graz / Karl Stocker, Graz-München

Inhalte

Michael Zinganel
Real Crime: Architektur, Stadt und Verbrechen. Zur Produktivkraft des realen und imaginierten Verbrechens für die Entwicklung von Gebäudetechnik, Architektur und Stadtplanung

Kari Jormakka
Living statues

Detlev Ipsen
Raumzeichen – Raumsymbole

Manfred Omahna
Dreamworks: Werden Bilder Realität?

Helmut Lackner
Das neu eröffnete Technische Museum Wien – Anmerkungen zur Rezension von Siegfried Mattl

Bettina Drescher
Im Zeichen der Immersion. Zur Architektur des Jüdischen Museums Berlin

Brigitte Franzen
Story Scraper: Ein Plädoyer für das Unbaubare

Roman Horak, Siegfried Mattl
Raumlektüren: Von »space« to »place«

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